Pferde können Angst oder Glücksgefühl von Menschen riechen
Pferde können Angst und Glück riechen, ohne dass der Mensch selbst anwesend ist
Suchhunde und Sprengstoff erschnüffelnde Hunde kennt jeder. Begleithunde werden ausgebildet, den Besitzer zu warnen, wenn der Zuckerspiegel im Blut zu hochsteigt oder zu weit absinkt. Dass Pferde ähnlich Hunden die Gerüche unserer Reaktionen „lesen“ können, haben wir nicht auf dem Schirm.
Endlich gibt es eine neue Studie, die wissenschaftliche Daten dafür vorlegt. Ein kleiner Schritt, kognitive Fähigkeiten besser zu verstehen. Die Studie zeigt klar, dass Pferde allein auf menschlichen Angst- oder Glücksgeruch unterschiedlich reagieren. Und das, ohne dass der Mensch selbst anwesend ist!
Ist das Riechen von Emotionen für Pferde von Bedeutung?
Pferde werden nervös oder gar ängstlich, wenn der Mensch neben ihnen Angst empfindet. Im Alltag hat das Pferd allerdings viele Möglichkeiten, die Emotionen des Menschen zu „lesen“. Das Pferd kann die eher ruckartigen, hektischen Bewegungen des Menschen sehen (Körpersprache), oder scharfes Einatmen hören. Oder den veränderten Herzschlag und den flachen, schnelleren Atem wahrnehmen. Wahrscheinlich nimmt das Pferd alles gleichzeitig wahr.
Aber ist für Pferde auch unser Geruch allein aussagekräftig? Immerhin ist der Geruchssinn einer der ältesten Sinne überhaupt. Lange bevor Lebewesen sehen und hören konnten, übermittelten sie Botschaften mittels chemischer Signale.
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Versuchsablauf
In dieser Studie sammelten Wissenschaftler „Geruchsproben“ von Teilnehmern nach einem strikten Protokoll. Diese Geruchsproben wurden Pferden zum Beschnuppern angeboten, ohne dass der Mensch, von dem die Probe stammte, anwesend war. Damit konnten die Wissenschaftler alternative Erklärungen für die Verhaltensweisen der Pferde wie Körpersprache oder Herzschlag ausschließen.
Die teilnehmenden Menschen und Pferde
Die Tests wurden im Februar 2019 im Pferderennstall Partynice in Wrocław, Polen, mit 6 Hengsten, 5 Wallachen und 10 Stuten durchgeführt. Von den insgesamt 21 Pferden waren 17 Vollblüter und 4 Araberpferde, 2 bis 9 Jahre alt.
Für die Sammlung der Geruchsproben wurden 7 Männer & 3 Frauen im Alter von 19 bis 29 Jahren gebeten, dem Protokoll Teil 1 und Teil 2 zu folgen.
Das Protokoll Teil 1: 2 Tage vor Geruchsprobensammlung
7 Männer & 3 Frauen im Alter von 19 – 29 Jahren wurden gebeten,
- a) keine geruchsintensiven Nahrungsmittel (z. B. Knoblauch) zu essen,
- b) weder Alkohol zu trinken, noch zu rauchen;
- c) und kein intensives Training zu absolvieren.
- d) Alle Personen erhielten parfümfreie, geruchsneutrale Pflegeprodukte (Seife, Creme, etc.).
Protokoll Teil 2: am 3. Tag wurden Geruchsproben sammeln
- a) Zuerst mussten sich alle Personen mit parfümfreier Seife waschen. Jeder Teilnehmer erhielt ein steriles Kosmetikpad aus 100 % Baumwolle. Dieses wurde unter die gewaschenen („geruchsneutralen“) Achseln geben. Zum Anziehen erhielten alle Teilnehmer:innen ein neues, geruchsneutrales T-Shirt.
- b) Dann wurde das augenblickliche Angstniveau der Teilnehmer:innen bestimmt mittels eines sog. „Testangstinventar“ (Spielberger State-Trait Anxiety Inventory (STAI) (Spielberger, 1983) ausfüllten. Dieses „Testangstinventar“ besteht aus 40 Fragen, welche die Teilnehmer beantworten.
- c) Jetzt schauten die Personen ein ca. 20-minütiges Horror-Video an.
- d) Und anschließend beantworteten die Teilnehmer die Fragen des Testangstinventars nochmals. So sollte das neue Angstniveau bestimmt werden.
- e) Zu guter Letzt sammelten die Wissenschaftler die Kosmetikpads ein und lagerten sie in luftdicht verschlossenen Plastiktüten bei -20 °C.
Das Protokoll dieser 3 Tage, wie oben beschrieben, wurde nach 2 Wochen wiederholt. Mit nur einer Änderung: Die Teilnehmer sahen ein 20-minütigen „Glücklich“-Video, bestehend aus zwei kurze Zeichentrickfilme. Damit hatten die Wissenschaftler von jeder Person zwei Pads, eines mit „Angstgeruch“ und eines mit „Glücksgeruch“.
Protokoll Teil 3: Verhaltenstest der Pferde
Die Pferde bekamen in 3 aufeinanderfolgenden Wochen jeweils ein Pad zum Beschnüffeln. In einer Woche ein „Horror-Pad“, nächste Woche ein „Glückspads“, und eine Woche später – zur Kontrolle – an unbenutzten Pads. Mit einer Digitalkamera wurde das Verhalten gefilmt und dann ausgewertet.
Für den Test stand das Pferd in seiner, ihm/ihr vertrauten Box. Es bekam 2 Minuten Zeit, sich frei zu bewegen, sich mit der Situation und mit den beiden Personen in seiner Box „vertraut“ zu machen. Die eine Person in der Box war ein Jockey bzw. eine Person, mit der alle Pferde vertraut waren. Die andere Person war eine Forschungsassistentin, die mit den Pferden nicht vertraut war. Beide Personen in der Box ignorieren das Pferd; d. h. weder sprachen noch berührten sie das Pferd noch, bewegten sie sich in der Box.
Und essenziell, keine der beiden in der Box anwesenden Personen wusste, welcher Geruch dem Pferd gerade vor die Nüstern gehalten wurde!
Nach den 2 Minuten zur Eingewöhnung wurde eine Stange in die Box geführt, an der ein Gitterkästchen mit den Pads hing. Das Pferd hatte wiederum 2 Minuten Zeit, die Pads zu beschnüffeln.
Datenauswertung
Von den Aufnahmen wurden alle Verhaltensweisen der Pferde notiert, die auf die Pads und die Menschen in der Box gerichtet waren. Also z.B. Annäherung, Beschnüffeln und Anstarren.
Zudem notierten die Wissenschaftler Signale, die bekannterweise mit Emotionen des Pferdes zusammenhängen. Z.B. Aufstellen der Ohren als Zeichen für Neugierde und Interesse oder das Anlegen der Ohren bei Ärger oder Angst. Aufgerissene oder entspannte Augen, Kauen, Schlecken, usw.
Für die Auswertung wurden dann z.B. die Häufigkeit und die Dauer einer Verhaltensweise des Pferdes ausgewertet und in den drei Situationen Angstpads, Glückspads und unbenutzte Pads verglichen.
Ergebnisse
Die spannendsten und klarsten Verhaltensweisen waren „Kopf hochnehmen“, „vertraute Person berühren“ und „Dauer Ohren anlegen“:
1. Wurden den Pferden Glückpads präsentiert, nahmen sie den Kopf selten hoch; und wenn das ein Pferd tat, dann nur kurz. Wurden hingegen Angstpads oder geruchsneutrale Pads angeboten, nahmen die Pferde viel häufiger und länger den Kopf hoch.
2. Bei Angstpads brachten die Pferde nicht nur den Kopf in „Hab-Acht-Stellung“, sondern gingen viel häufiger zur Vertrauensperson hin und blieben in dessen Nähe, als wenn sie Glückspads oder unbenutzten Pads beschnüffelten.
3. Interessanterweise, wenn die Pferde die Ohren anlegten, dann am längsten bei den unbenutzten Pads.
Was hilft uns das für unseren Alltag mit Pferden?
Die Studie liefert erste, standardisierte und kontrollierte Daten für die Fähigkeit von Pferden, rein durch Geruch menschliche Emotionen zu erkennen. Es braucht also weder Bewegung noch Herzschlag noch Stimme einer Person, damit das Pferd erkennen kann, ob der Mensch neben ihm gestresst oder glücklich ist.
Überraschen wird dieses Ergebnis keinen Pferdefreund. Hand aufs Herz: Wer hätte gesagt, der pferdische Geruchssinn sei nicht fein genug? Spannend für mich ist daher vielmehr die Frage: Warum ignorieren wir Menschen unseren Geruch, wenn es um Pferdereaktionen geht?
Immer mehr Trainer und Pferdeprofis lehren, wie wichtig es ist, den Verstand und die Seele zur Ruhe zu bringen, während wir mit unseren Pferden zusammen sind. Zu den bekanntesten Namen gehören sicherlich Warwick Schiller, Mark Rashid, Karen Rolf . Mark Rashid und Equine Body Worker Jim Master haben ihren Film über eine gemeinsame Clinic entsprechend benannt: „A mind like still water„
Harmonie beginnt aber nicht erst in dem Moment, wenn wir unser Pferd sehen. Sind wir in der Zeit bis kurz vor dem Zusammentreffen mit unseren Pferden gestresst oder verärgert – und sei es nur in Gedanken – hängt genau dieser Geruch frisch in unserer Kleidung. Und unsere Pferde riechen als ersten Eindruck: Mein Mensch ist gestresst oder ärgerlich. Das gilt erst einmal auch, wenn er/sie ein frohes Gesicht aufsetzt.
Für Pferde nichts Neues. Wir Menschen neigen dazu, Meister von Widersprüchen und Ungereimtheiten und zu sein. Mit dem Körper fordern wir das eine, mit Gesten etwas anderes und mit dem „Wasserfall Stimme“ oft noch etwas drittes vom Pferd. Derweil könnten wir hier schon einen ersten Schritt zu mehr Konsistenz und Klarheit machen: Reitkleidung anziehen, sich auf den Weg zum Pferd machen und JETZT die Gedanken auf das Schöne richten. Statt zu grübeln und uns zu stressen, den Verstand beruhigen. Dann riechen wir auch schon nach Unternehmungslust und Vorfreude auf das Wiedersehen mit unserem Pferd, wenn wir ihm begegnen. Gleichzeitig sind unsere Gedanken zur Ruhe gekommen und bei unserem Pferd.
Für die Biologin ist natürlich auch spannend, dass sowohl Raubtier (Hund) wie Fluchttier (Pferd) menschlichen Angst- und Glücksgeruch unterscheiden und darauf reagieren, und zwar unabhängig von anderen Eindrücken wie Sehen, Hören oder Fühlen. Die Tatsache, dass das älteste sensorische System bei beiden Spezies übereinstimmt, könnte darauf hindeuten, dass die biochemische Signatur von Geruchsstoffen ein relativ unveränderlicher Informationsträger geblieben ist. Zwar unterliegt der kontextabhängigen Schwankungen, ist dennoch ein wichtiges Medium für die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten.
Originalartikel
Sabiniewicz A, Tarnowska K, Swia ̨tek R, Sorokowski P, Laska M (2020). Olfactory-based interspecific recognition of human emotions: horses (Equus ferus caballus) can recognize fear and happiness body odour from humans (Homo sapiens). Applied Animal Behaviour Science Vol 2030. doi: https://doi.org/10.1016/j.applanim.2020.105072
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S016815912030160X